Nicola Barth

"Ich betrachte meine gegenstandslose Malerei als eine Momentaufnahme von etwas, das sich in permanentem Prozess befindet."
Nicola Barth, geboren 1966 in Mölln - lebt und arbeitet heute in Langen bei Frankfurt am Main. Ihr Magisterstudium für Germanistik, Theater- Film- und Fernsehwissenschaften sowie Psychologie absolvierte sie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Doch bald legte sie den Stift aus der Hand und griff zum Pinsel, wechselte die Sprache und fand neue Ausdrucksformen. Seit 2013 beschäftigt Nicola Barth sich mit permanent metamorphen Prozessen, die sich in nicht offensichtlichen Bereichen abspielen. Darin visualisiert sie Ideen vom Werden und Wandeln, Blicke von Gestalten, die keine sind, verbindet Poesie und Chaos und bringt diese mit Graphit und Ölfarbe auf Leinwand und Papier. Seit 2002 stellt sie regelmässig aus.
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14 P Ausbildung

22 P Arbeit

23 P Aussagekraft

Warum hast du als Künstlerin angefangen zu arbeiten?

Als Literaturwissenschaftlerin habe ich mich wie gesagt hauptsächlich mit Sprache und Geschriebenem auseinandergesetzt. Mit der Zeit habe ich jedoch realisiert, dass Wort und Sprache zu ´verkopft´ sind und mir eine Ausdruckmöglichkeit fehlte um das auszudrücken, was es zu sagen gibt. In der nichtgegenständlichen Malerei habe ich dann genau diese Ausdruckmöglichkeit gefunden. Sprache ist eindeutig, wird vom Verstand gesteuert und hebt uns auf eine konforme Ebene. Malerei hingegen weicht von der Norm ab. Sie führt aus der Tiefe in die Tiefe einer Seinserfahrung, sie ist eine andere, für mich offenere Form der Kommunikation, die mit anderen Sinnen erfasst wird und mehr Spielraum und Freiheit lässt. Hier geht es mehr um das Erleben und nicht um das Verstehen.

Die Triebfeder meiner Malerei ist der Erkenntnisgewinn. Ich male aus einem inneren Dilemma heraus: der Unmöglichkeit, die Welt zu Ende denken zu können. Anders formuliert: ich male was ich nicht verstehe aber zu verstehen begehre.

Alles ist ständig in Bewegung, nichts bleibt. Zeit und Raum sind in Frage gestellt. Das kann schon manchmal schwindelig machen.

Diese Schnelllebigkeit in der Natur und in unserer Gesellschaft und der rasante digitale Fortschritt fordert ein Anhalten, einen Stillstand, eine Einkehr um hinterher zu kommen. Meine analoge Antwort darauf ist die Malerei.

Mit welchen Materialien arbeitest du und warum?

Wenn ich male arbeite ich primär mit Öl auf Leinwand oder Öl auf Papier. In letzter Zeit habe ich allerdings wieder angefangen mit Acrylfarbe zu arbeiten. Grund dafür sind Kurse, die ich an der Akademie belegt habe. Dort ist es so, daß man nicht nur seine Arbeit zurück transportieren können muss, sondern es ist unter Umständen auch nicht so gern gesehen, wenn mit Ölfarbe gearbeitet wird, da Öl ja sehr geruchsintensiv ist. Dank der Acrylfarbe habe ich dann ganz überraschende Entdeckungen gemacht. Diese schnelle Farbe lässt ein expressiveres Arbeiten zu als Öl.

Gibt es Farben und Formen, die du bevorzugst?

Es ist ein großer Unterschied, ob ich mit Öl auf Leinwand oder Papier male oder ob ich mit Acryl male. Ölfarbe ist satter und für mich eine viel lebendigere Farbe mit mehr Leuchtkraft. Sie ist die authentischste aller Farben und deswegen meine erste Wahl. Seit ich aber neue Erfahrungen mit Acryl gemacht habe und diese Farbe mir als sehr schnell und expressiv von der Hand geht, hat mich das wieder ein Stück weitergebracht. Schlussendlich ist die Mischung das A und O. Ich liebe das Expressive der Acrylfarbe sowie ich auch das Satte, Warme und Lebendige der Ölfarbe liebe. Ich kombiniere all das, indem ich ein Bild mit Acryl unterlege und dann partiell mit Öl anstreiche, was noch einmal mehr Tiefe und Lebendigkeit gibt.

Wie würdest du deine Bilder beschreiben?

Meine Bilder sind Momentaufnahmen von Entwicklungsprozessen und vergleichbar mit einem Filmausschnitt, der nur einen klitzekleinen Teil von einem ganz großen Ganzen wiedergibt. Sie könnten in alle Richtungen weitergedacht werden. Ich betrachte sie wie ein eingefrorenes Standbild von etwas, das sich in permanentem morphischen Prozess befindet.

Als Malerin nehme ich mir die Freiheit, einen willkürlich gewählten Ausschnitt festzumachen und zu sagen: ´das ist jetzt Stillstand´. Das stelle ich frei. Das ist eine ganz analoge Geschichte.

Welche Ziele hast du?

Ich versuche mit meiner Kunst normgeformtes Denken aufzulösen und weiterhin Menschen zu Spaziergängen in anderen Ebenen einzuladen.

Können deine Bilder als ein Medium der Kommunikation verstanden werden?

Ja absolut. In unserer heutigen Gesellschaft ist die Schriftform das verankerte Kommunikationsmedium, während das Bild ziemlich in den Hintergrund gefallen ist.

Vor einiger Zeit ist mir das Thema ´Sprache und Kommunikation´ erst richtig bewusst geworden. Existentielle Fragen wie ´Wer bin ich?´, ´Wer sind wir?´, ´Wo kommen wir her?´, ´Wo gehen wir hin?´, ´Warum sind wir hier?´ treiben uns alle an. Und da bin ich mit der Schrift und Sprache an meine Grenzen gestoßen.

Heute merke ich, dass alles, was ich getan habe, wieder zusammenfließt. Meine Beschäftigung mit der Sprache hat mich genau hierhin geführt und jetzt fließen die Dinge zusammen. Das Thema Sprache und Kommunikation wird mich noch eine ganze Weile begleiten. Wie bereits erwähnt geht es in meinen Arbeiten um den Moment und wahrscheinlich in Zukunft auch um Kommunikation in Räumen, die keine (reellen) Räume, sondern eher ‚Dahinterwelten‘ sind. Ich nenne das ‚Space-Walk-Talks‘ in Räumen, die keine sind. Schlussfolgernd kann ich sagen, dass ich heute via Leinwand und über das Bild hinaus kommuniziere.

Gibt es etwas, oder jemanden, der dich beeinflusst?

Sicherlich gäbe es hier einige Namen von Künstlern zu nennen deren Arbeiten ich aus verschiedenen Gründen großartig finde, die mich inspiriert und auf formaler Ebene auch beeinflusst haben. Als Künstler ist man aber auch immer ein ´Seismograph der Gesellschaft´ und ´tentakelt´ recht offenporig durch die Welt.

In der schöpferischen Arbeit geht es ja am Ende um Input und Output und das individuelle ‚Dazwischen‘, das sich dann in einem künstlerischen Ergebnis manifestiert.

Daher werde ich von allem und allen und immer beeinflusst: Menschen, Gespräche, Natur, Materialien, Räume, Texte - alles kann mich inspirieren wenn ich „offen“ (on air im off space) bin. Der Transformationsgedanke: „Was kann man daraus machen?“ ist immer da.

Welche Techniken bevorzugst du?

Ich kombiniere alle Techniken, indem ich Ölfarbe auf die Acrylfarbe auftrage, um die Teile des Bildes noch mal ein bisschen wärmer, weicher und satter zu machen, sie zum Leuchten zu bringen und hervorzuheben. Außerdem bezeichne ich meine Bilder auch gerne mit Graphit- und Pigmentstiften, oder mit Ölkreiden.

Wie gehst du bei deiner Arbeit vor?

Als Malerin beschäftige ich mich primär mit der Farbe, mit dem Prozess und dem, was daraus entsteht. Ich male grundsätzlich nichtgegenständlich. Ich benutzte hier bewusst nicht das Wort ‚abstrakt‘, weil es für mich bedeuten würde, daß ich etwas abstrahiere, was schon da gewesen ist. Das tue ich aber nicht, denn meine Malerei entsteht wie gesagt aus dem Prozess heraus. Ich weiß oft nicht, was ich gemalt habe und im Grunde muss ich das auch nicht wissen. Manchmal drängen sich dem Betrachter, wenn das Bild fertig ist, figurative Ideen auf. Oder man denkt, das könnte eine Anlehnung an eine bestimmte Figur sein. Aber das ist nie so gewollt.

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Was möchtest du mit deiner Kunst aussagen?

Ich denke ich habe als Künstlerin die Möglichkeit, meine Mitmenschen zum Mitkommen und zum Austeigen aus diesem normgebundenen Denken aufzufordern. Ich lade Menschen ein, mir in andere Räume zu folgen oder mal eine andere Brille aufzusetzen.

Es geht mir aber auch um das oben erwähnte Festhalten einer permanenten Metamorphose. In dieser sich permanent wandelnden Welt gibt es eine Welt dahinter, die ich auf verschiedenen Ebenen begreife, und die ich versuche im Moment festzuhalten. Ich bin überzeugt, dass auf anderen Ebenen anders kommuniziert wird. Es gibt so viele Zwischenräume und Zwischenebenen, die brauchen eine andere Form der Kommunikation. Ich glaube, dass es eine andere Form der Sprache gibt. So wie andere Lebewesen ihre eigene Art der Kommunikation haben.

Deshalb tragen meine Bilder diese merkwürdigen Dreiklang-Satz-Namen wie HONO BADI NISS und DULUSCH ET IGANI. Diese Namen sind eher als ein Klang oder eine Frequenz zu verstehen und weisen auf die innere Idee der Dinge hin – und nicht auf das, was sie darstellen, denn das weiß ich ja selbst nicht. Ich behaupte nur, dass es „Etwas“ sich im Prozess befindliches ist.

Was möchtest du in den nächsten 5 Jahren erreichen?

Ich freue mich auf die Zukunft, ohne dass ich eine große Erwartungshaltung daran habe. So wie ich auch nie Angst vor einer weißen Leinwand habe. In der Regel begebe ich mich in den Prozess. Im Nachhinein weiß ich dann, ob und wie intensiv und wie gut es war. Mir geht es ums reine Tun, das in Zukunft in meiner Malerei am liebsten noch mutiger, radikaler, konsequenter, kompromissloser und noch präsenter in meinem künstlerischen Ausdruck sein soll. Und dabei versuche ich, den Humor nicht zu verlieren, denn man muss auch an schwierigeren Tagen den Pinsel zur Seite legen können und sagen ´ich mache dann mal was anderes´.

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